20 Mai 2017

legendierte Polizeikontrolle

Ende April Urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) zur grundsätzlichen Zulässigkeit von “Legendierten Polizeikontrollen” (2 StR 247/16). Dabei handelt es sich um eine gängige Praxis insbesondere bei der Bekämpfung von Drogenkriminalität. Dabei wird, wenn die Polizei im Rahmen von Ermittlungen (z.B. durch Telefonüberwachung) von einem Drogentransport Kenntnis hat dieser abgefangen. Dazu wird eine "normale" Kontrolle (z.B. Verkehrskontrolle) vorgetäuscht und suggeriert dass die Drogen "zufällig" gefunden werden. Ziel ist, dass die Ermittlungen gegen andere Mitglieder dieser Drogenbande weitergeführt werden können ohne dass diese davon erfahren. 

Kritiker bemängeln, dass durch diese Praxis gewisse Rechte die ein Beschuldigter in einem Strafverfahren hat, ausgehebelt werden. So müsste unter anderem der Fahrer des Drogentransport vor der Durchsuchung über den bestehenden Straftatverdacht aufgeklärt werden. Weiterhin wär für die Durchsuchung im Strafverfahren ein richterlicher Beschluss notwendig. All das würde natürlich den Rest seiner Bande warnen, was weitere Ermittlungen schwer bis unmöglich machen würde. 

Der BGH Urteilte nun dass die Anwendung präventiv-polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen (wie einer Verkehrs- oder Grenzkontrolle) nicht entgegensteht, dass zum Zeitpunkt einer Fahrzeugdurchsuchung bereits der Anfangsverdacht einer Straftat vorlag. Im verhandelten Fall ging es um 8 Kilo Kokain, dessen Fund sonst unter das Beweisverwertungsverbot gefallen wäre. 

Wichtiger Kern des Urteils ist, die Ermächtigungsgrundlagen des Polizeirecht (Gefahrenabwehr) und des Strafprozessrecht (Strafverfolgung) sind nebeneinander anwendbar. Das Fahrzeug durfte also nach Polizeirecht durchsucht werden obwohl bereits ein Anfangsverdacht einer Straftat gegen den Angeklagten vorlag, der auch eine Durchsuchung nach §§ 102, 105 StPO ermöglicht hätte. Es bestehe also weder ein allgemeiner Vorrang des Strafprozessrecht gegenüber dem Polizeirecht noch umgekehrt. Wenn in einem Polizeieinsatz also sowohl repressives als auch präventives Handeln in Betracht kommt, blieben strafprozessuale und gefahrenabwehrrechtliche Ermächtigungsgrundlagen grundsätzlich nebeneinander anwendbar. 

Natürlich muss die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens immer und uneingeschränkt über dien Hintergründe von polizeilichen Maßnahmen informiert werden. Denn nur dann kann die Tatsachengrundlage geschaffen werden, welche eine Staatsanwaltschaft benötigt um über ihr weiteres strafprozessuales Vorgehen (z.B. Beantragung eines Haftbefehls oder Beschränkung von Akteneinsicht) entscheiden kann. Spätestens bei Anklageerhebung müssen aber alle Karten auf den Tisch, also alle Maßnahmen und deren Hintergründe vollständig offen gelegt werden. 

Die Entscheidung des BGH war aus meiner Sicht absolut wichtig und richtig. Denn die “legendierte Polizeikontrolle” ist ein unverzichtbares Element bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Zumindest wenn man von kriminellen Banden nicht nur hin und wieder mal einen Handlanger verhaften, sondern auch an die Bosse heran will. Außerdem ist es für mich nicht einzusehen, warum Mitglieder in kriminellen Netzwerken besser gestellt sein sollen als jeder normale Bürger, der sich ebenfalls einer Polizeikontrolle zu stellen hat. 

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